Andacht zu Lukas 19,41-44
Israel –Volk des Segens (10.Sonntag nach Trinitatis), Tag 2

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Lesung:

Lukas 19,41-44

Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen, und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.

 

Thema:

Jesus leidet unter der Tragik des Unglaubens. Er sieht die Zerstörung Jerusalems kommen.

 

Auslegung:

Ein Mann, der weint – na so was! Und dann auch noch Jesus! Manchmal ist Weinen keine Peinlichkeit, die man möglichst schnell beenden muss, sondern der angemessene Ausdruck tiefer Trauer. So hier.

Jesus sieht die Katastrophe voraus, die vierzig Jahre nach seinem Tod kommen wird. Doch er tut es weder gleichgültig noch schadenfroh, sondern er ist tiefbedrückt.

Er leidet unter der Tragik des Unglaubens. Das Evangelium von Jesus Christus, dem Heiland, ist in seiner vollen Gestalt da. Aber es wird abgelehnt. Die Leute von Jerusalem werden Jesus töten. Die notwendige Konsequenz: Jerusalem wird verwüstet werden. Dreimal benennt der weinende Jesus diesen Zusammenhang in aller Klarheit: 1. Du erkennst nicht, was zum Frieden dient. 2. Es ist vor deinen Augen verborgen. 3. Du hast die Zeit nicht erkannt.

Wie reagieren wir, wenn Menschen nein sagen zum Evangelium? Ist es uns gleichgültig – vielleicht weil wir die Perspektive von Gottes Gericht längst aus den Augen verloren haben? Oder reagieren wir kaltschnäuzig: „Der (oder die) hat es ja nicht anders gewollt! Er (sie) wird schon merken, wie das endet.“ Und damit ist der Fall für uns erledigt?

Jesus ist nicht so herzlos.

 

Gebet:

Herr Jesus, ich danke dir, dass du mit den Verlorenen mitfühlst. Bitte lass mich, die Menschen um mich herum und besonders auch das Volk Israel aufwachen, dass wir nicht versinken in den Folgen unserer Sünde, sondern deine Retterhand ergreifen.

 

Impuls:

1. Jesus weint über Jerusalem – und das ist immerhin die Stadt des Hohen Rates und der Pharisäer, also seiner Feinde. Sind vielleicht alle harten Worte gegen diese Personengruppen nicht aus Ablehnung, sondern eher aus Schmerz darüber gesagt, dass diese Leute ihr Heil verpassen? Aggression, die aus heiligem Zorn geboren ist? – die letztlich Liebe ist?

2. Ob Jesus dieselbe tiefe Trauer auch über das heutige Deutschland empfindet? (Wie hat bei uns der Unglaube das Denken der Menschen schon verwildert und zu Unmoral geführt? Kann man da nicht das Gericht Gottes schon kommen sehen?)

 

Hintergrundinformationen:

Die meisten Theologen datieren das Markusevangelium in das Jahr 70 n.Chr., weil sie nicht glauben, dass Jesus die Zerstörung Jerusalems (die 70 n.Chr. geschah) wirklich vorausgesagt haben kann. Deshalb unterstellen sie der Gemeinde, sie habe diese Worte Jesus in den Mund gelegt.
Es fragt sich allerdings, ob die Gemeinde ihrem Herrn und Meister gegenüber so respektlos gewesen sein kann, dass sie ihm Dinge in den Mund legt, die er gar nicht gesagt hat. Ebenso fragt sich, warum Jesus nicht zu einem echten prophetischen Wort fähig gewesen sein soll.

 

Autor dieser Andacht: Robert Augustin